Kein Schreckgespenst!
Sie lesen hier weder Tipps noch Tricks wie Sie sich oder die betroffenen Menschen in Ihrem Umfeld gegen Quarter- oder Midlifecrisis schützen können. Auch nicht wie ein möglichst schnelles Ende erreicht wird oder die Symptome – vielleicht sogar Allüren – behoben werden. Vielmehr ist dies ein ernst gemeintes Plädoyer für die Krise.
Den einen Menschen trifft es mehr, den anderen weniger oder gar nicht. Frauen sowie Männer durchwandern in ihrem Leben krisenhafte Phasen. Die Altersspanne reicht von Mitte Zwanzig bis weit über Sechzig und hat eins gemein: das Bedürfnis etwas nachzuholen. Im umgänglichen Sprachgebrauch wird eher von „zurück holen“ gesprochen, doch das ist im wesentlichen falsch. Auch wenn die Betroffenen nach Erfahrungen und Gefühlswallungen aus einer früheren Entwicklungsphase – einer früheren Lebensphase streben, so holen sie weniger zurück als das sie etwas nachholen.
Wir streben nach Ausgleich
Unser Leben hält verschiedene Abschnitte bereit mit Phasen, die wir in unserer Entwicklung durchlaufen. Durchleben wir diese Phasen ausreichend, reifen wir ausgeglichen heran. Diese Menschen erleben Quarter- oder Midlifecrisis nur sehr vage oder gar nicht. Manchmal bekommen wir jedoch nicht die Möglichkeit jede Phase ausreichend zu durchleben. Äußere Bedingungen ließen uns nicht ausreichend Gelegenheit dazu. Vielleicht mussten wir unsere jüngeren Geschwister oder Eltern umsorgen, sie entlasten, Verantwortung übernehmen, wo andere Gleichaltrige frei und ungezwungen ihre Kindheit auslebten. Vielleicht wurden wir selbst sehr früh Eltern oder wir gingen früh eine feste, partnerschaftliche Bindungen ein, was unsere Möglichkeit, unverbindlichere Verbindungen zu erleben, sehr früh ausschloss. Einige Menschen zogen sich früh zurück in ein exzessives Hobby, eine Sportart oder ein Projekt, dass sie von anderen Bereichen ihres Lebens fernhielt. Dann ist unsere Erfahrung mit Aspekten wie Ernsthaftigkeit, Verantwortung, Pflicht und zweckgebundenem Handeln groß. Die Erfahrung von Ungebundenheit, Ungebändigtsein, Unkontrolliertheit, Unverantwortlichkeit, Unabhängigkeit, kam indes zu kurz. Tief im Innern streben wir nach dem Ausgleich doch unser Leben hat sich entwickelt, vielleicht haben wir inzwischen Haus und Familie, einen Job, einen Alltag, dem wir ebenfalls gerecht werden möchten. Wir beginnen mit den Jahren ein Manko zu empfinden. Können wir unsere unterrepräsentierten Erfahrungen nachholen?
Der Konflikt sucht nach Balance
Wir geraten in einen Konflikt, sind zeitgleich ein erwachsener Mensch von 30, 40 oder 50 Jahren und spüren in uns den Jugendlichen, der sich von allem Unfreien lösen möchte um sich zu erproben. Wir wollen nachholen, was uns einst verloren gegangen ist oder was so erfüllend war und zu kurz andauerte. Der junge Geist in uns erscheint unserer erwachsenen Seite, vielleicht auch unserem sozialen Umfeld, unverständlich, sogar bedrohlich. Diese Krise ist nichts Lächerliches, sie ist eine gesunde Reaktion unserer Psyche, die uns erinnern möchte, die Waagschalen aufzufüllen bis Balance entsteht. Es gilt Mittel und Wege zu finden damit dies gelingt.
Der Weg aus der Krise
Ignoriert der Betroffenen seinen inneren Ruf, wird der innere, junge Rebell nur vehementer einfordern, bis hin zur radikalen Auflösung der bestehenden Strukturen. In solchen Fällen brechen die Betroffenen Brücken ab, sie führen Trennungen herbei und erzwingen Veränderung ohne jedoch ihr Gleichgewicht zu erhalten. Bei Therapie und Coaching führt der Weg aus der Krise in Richtung Erfüllung und Freiheit – stets mit Rücksicht auf die bestehenden Strukturen im nahen Umfeld des Betroffenen. Betrachten Sie diese Art der Krise als Chance. Wenn Sie unsicher sind, wie Sie allen Seiten in Ihnen gerecht werden können, lassen Sie sich dabei helfen. Wir sprechen hier nicht von einem Schreckgespenst, das alle Menschen irgendwann heimsucht. Wir sprechen von einer weiteren, ganz natürlichen Phase, die gelebt werden will.